Hören

Leider bemerkte ich den Mann erst, als er bereits nah hinter mir war und ich seinen Atem im Nacken spürte. Ich drehte den Kopf und blickte in das runzelige Gesicht eines alten Herrn. Doch sein Blick war stechend scharf.
«Habe ich Sie gefunden», sagte er triumphierend. Wir standen auf einem einsamen Waldweg.
«Wer sind Sie?», fragte ich.
«Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie. Was ist das da in Ihrer Hand?»
Ich liess mein Handy, mit dem ich Musik gehört hatte, in die Hosentasche gleiten. «Das geht Sie nichts an», wehrte ich ab.
«Und ob. Ich habe es genau gehört. Sie hören wieder diese schreckliche Musik. Da zischt und dröhnt es ohne jegliche Melodie oder Rhythmus.»
«Und das stört Sie?»
«Ja. Denn Sie wollen uns damit erschrecken.»
«Uns?» Ich wusste nicht, wovon er sprach.
«Letzte Nacht», führte der alte Mann aus. «Als wir alle schliefen. Da spazierten Sie durch das Quartier und liessen dieselbe unheimliche Musik laufen. Meine kleine Tochter, die bei offenem Fenster schlief, wachte auf und begann zu weinen. Aber mich erschrecken Sie damit nicht.»
Langsam erinnerte ich mich. Ich war auf dem Heimweg von einer Party gewesen. In meinem angetrunkenen Zustand hatte ich es für eine witzige Idee befunden, wüste Musik auf dem Handy abzuspielen, um das Quartier zu ärgern. Anscheinend hatte es geklappt, doch besser, als mir lieb war.
«Jetzt geben Sie schon her», befahl der Mann.
«Was soll ich hergeben?»
«Ihr Handy.»
«Warum? Was wollen Sie damit anstellen?»
«Ich werfe es weg, sodass Sie es nie wieder finden.» Die Augen des Mannes blitzten bedrohlich.
Mit einem arroganten Lächeln erwiderte ich: «Sie haben gerade Ihren Plan verraten. Warum sollte ich jetzt noch tun, was Sie verlangen?»
«Sie werden es tun.»
«Ich fürchte nicht.»
Mit diesen Worten drehte ich mich um und joggte davon. Der Mann war zum Glück schon zu alt, um mir zu folgen, und so verlor er mich bald aus den Augen.

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